Das Wesen von
Hunden
Einiges zum Wesen von Hunden und
speziell von Pinschern
Alles
Folgende entspricht meiner persönlichen Meinung als Liebhaber von
Hunden. Da der Pinscher auch "nur" ein Hund ist, sind die folgenden
Aussagen weitgehend auch für alle anderen Hunderassen gültig.
Zum
besseren Verständnis einige Definitionen
Intelligenz:
Darunter
verstehen wir die Fähigkeit eines Individuums, auftretende Probleme
erfolgreich zu lösen.
Abrichtbarkeit
(=Dressurfähigkeit z.B.
Leinenführigkeit):
Eignung eines Individuums (z.B.
Hund) zur
Zusammenarbeit mit einem (seinem) Menschen.
Reizschwelle:
Ist
die Stärke eines Reizes bis eine Reaktion (unabhängig welche Reaktion)
darauf erfolgt.
Hohe Reizschwelle = erst ein starker Reiz
führt zu einer Reaktion
Niedrige Reizschwelle = bereits ein
geringer Reiz führt zu einer Reaktion
Zusammenhang zwischen
Intelligenz und Abrichtbarkeit
H.Wachtel beschreibt in seinem
Buch
"Hundezucht 2000" auf S. 203-204 Intelligenztests.
1. Einen
Labyrinthtest,
bei dem Wolfswelpen mit Welpen von sechs
verschiedenen Hunderassen verglichen wurden. Die Wolfswelpen haben
dabei deutlich weniger Fehler je Labyrinthdurchlauf gemacht. Auch
brauchten die Wolfswelpen deutlich weniger Durchläufe, bis sie den
idealen Weg gefunden hatten.
2. Einem Barrieretest,
bei dem Wolfswelpen und Hundewelpen versuchen mussten, ein
durch ein Fenster sichtbares Lockobjekt auf der anderen Seite der
Barriere zu erreichen. Auch hier waren die Wölfe den Hunden (jeweils
Welpen) deutlich überlegen. Je komplizierter die Barriere war, desto
deutlicher wurde die Überlegenheit.
Auffällig bei diesen
Intelligenztests war, dass der Basenji (afrikanischer Urhund) teilweise
die Werte der Wölfe sogar überbot und die als besonders abrichtbar
geltenden Rassen (Spaniels, Vorstehhunde und Retriever) relativ
schlecht abschnitten.
Der Basenji aber gilt als äußerst schwer
abrichtbar.
Abrichtbarkeit ist also keineswegs mit Intelligenz
gleichzusetzen, sondern ganz im Gegenteil scheint hohe Intelligenz
(Problemlösungsfähigkeit) einer guten Abrichtbarkeit im Wege zu stehen.
Wie ist denn nun
eigentlich das Wesen des Pinschers ?
Da
die meisten Wesensmerkmale nur relativ schlecht durch gezielte Zucht
verändert werden können, gibt die geschichtliche Herkunft der Rasse
schon viele Hinweise.
Der Pinscher (glatt- oder rauhaarig, Zwerg-
oder Mittelschlag) stammt von kleinen bis mittelgroßen (25- 40 cm
Widerrist) Hunden ab, welche auf Bauerhöfen oder bei Fuhrleuten ihren
"Dienst" taten. Dieser Dienst bestand im Wesentlichen darin,
selbständig Mäuse, Ratten und kleine
Raubtiere (bis zum Fuchs) kurz
zu halten oder zu vertreiben. Kurz, sie sollten ohne ihren Herren in
Hofnähe jagen! Weiterhin sollten sie selbständig dafür sogen,
dass
fremde Menschen Haus und Hof nicht unbemerkt betreten konnten. Auch
durfte das abgestellte Fuhrwerk von keinem Fremden unbemerkt berührt
werden. Besonders dann nicht, wenn der Herr gerade nicht anwesend war.
Wachsam mussten sie also sein. Aber falscher Alarm (Kläffen bei jedem
Windhauch) war nicht erwünscht. Haustiere (Kaninchen, Hühner, Katzen,
Schweine, Kühe, Pferde ...) durften nicht angerührt werden. Wobei
fremde Katzen als Raubzeug galten.
Um
diese vielfältigen Aufgaben zu erfüllen, bedurfte es eines
intelligenten Hundes (Problemlösung z.B. wann muss ich bellen und wann
ist es
nicht notwendig) mit einem gesunden Misstrauen gegenüber allem
Fremden.
Ja, und so ähnlich ist der Pinscher wohl auch heute
noch. Wobei jedem klar sein muss, dass die individuellen Unterschiede
zwischen zwei Pinschern (auch bei Wurfgeschwistern) z.T. sehr erheblich
sein können. Denn Vererbung bedeutet auch, der Zufall mischt die
Karten
und nicht jeder bekommt die gleichen.
In der Zucht (1900 bis
heute) der
glatthaarigen Pinscher (Zwerg- und Mittelschlag) spielte die gute
Abrichtbarkeit eine deutlich geringere Rolle als bei den Zwerg- und
Mittelschnauzern. Somit ist es nicht verwunderlich, dass Schnauzer
leichter zu führen sind als Pinscher. Meine eigenen Erfahrungen beruhen
hier auf zwei Mittelschnauzern und drei Pinschern. Aber auch andere
Züchter oder Halter beider Rassen bestätigten mir diesen Fakt.
Der
oben dargestellte Zusammenhang zwischen Intelligenz und Abrichtbarkeit
erklärt auch, wieso ein Pinscher es immer wieder schafft, Frauchen oder
Herrchen auszutricksen.
Wieso Pinscherbesitzer etwas mehr mit
ihrem Hund trainieren müssen, um die Begleithundeprüfung oder auch nur
eine gute Leinenführigkeit zu erreichen, dürfte auch klar sein.
Dass
er Mäuse "wie wild" jagt und fremde Katzen nicht leiden kann,
verwundert auch nicht weiter. Das angenehme Sozialverhalten gegenüber
Mensch, Hund und anderen Haustieren wurde unserer Rasse mit in die
Wiege gelegt. Dieser Trumpf muss unbedingt erhalten werden.
Schutztrieb
kann ein Hund nur ausbilden, wenn er etwas Schützenswertes hat. Ohne
möglichst enge Bindung an Frauchen und/oder Herrchen wird er
Schutztrieb auch nicht zeigen. Jeden bedrohen oder gar beißen,
der
Schwäche oder Ängstlichkeit zeigt, ist kein Schutztrieb, sondern eine
nicht zu tolerierende Wesensschwäche (meist des Herrchens/Frauchens =
Umwelteinfluss).
Ein Pinscher soll aufpassen und
melden "wenn
sich was tut". Er darf aber nicht einfach mal zufassen, weil er z.B.
den Richter im Ring oder den Tierarzt "nicht leiden kann". Er
sollte eine mittlere bis hohe Reizschwelle haben, damit er nicht gleich
bei jeder "Beleidigung" z.B. durch einen anderen Hund "hochgeht".
Toleranz gegenüber Kindern -
ein heißes Thema !
Es ist ein nicht
auszurottendes Märchen, dass erwachsene Hunde in ihrem Mensch -
Hunderudel in der Rangordnung selbst unter einem Kleinkind stehen.
Jeder normale erwachsene Hund (zwei Jahre und älter) merkt
deutlich, das Kinder unreif = nicht erwachsen sind.
Wir
Menschen sind für einen normal geprägten Hund Artgenossen. Sie erkennen
uns zwar als eine Art Überhund, aber als Hund an. Mit seinen Menschen
bildet der Hund ein Rudel. In diesem Rudel muss es für den Hund eine
klare Rangordnung und damit einen Alpha geben. Dank Domestikation
erkennen Hunde (anders als auf Menschen geprägte Wölfe) einen
erwachsenen Menschen "ohne Diskussion" als Alpha an. Hunde hassen
Demokratie, das ist ihr Wolfserbe. Sollte kein erwachsener Mensch im
Rudel die Alpha- Position ausfüllen (Fiffi kommst du her oder nicht)
wird der Hund mehr oder weniger unwillig, den Alpha-Job
übernehmen müssen.
In diesem dem Hund fest (genetisch)
eingebrannten Verständnis von Rangordnung stehen Heranwachsende
(egal
ob Junghund oder Kind) nie über einem Erwachsenen sondern sind
Schutzbefohlene. Kinder (ein Tag bis 16-18 Jahre) und Hunde
können ein tolles Gespann sein. Wenn das Kind den Hund nicht
herumkommandiert (=schikaniert) und auch nicht füttert.
Rangordnungsspiele (z.B. Zerrspiele) mit Kindern sind dringend zu
unterlassen. Dieses gilt ohne Ausnahme zumindest bis zum zwölften
Lebensjahr des Kindes. Kinder sind für Streicheleinheiten zuständig. Ab
etwa dem zwölften Geburtstag des Kindes können unter Aufsicht auch
Kinder Kommandos und Leckerli geben.
Ein unbeaufsichtigtes
führen von Hunden in der Öffentlichkeit durch Kinder unter 16 Jahren
lehne ich persönlich grundsätzlich ab (Siehe auch die entsprechende
Landesverordnungen zu diesem Thema). Eltern sollten sich einmal
fragen: "Was passiert mit meinem Kind, wenn ihr Pinscher durch einen
anderen
Hund (evtl. unbeaufsichtigt freilaufend und auch viel größer)
angegriffen wird ?"
Hunde mit Schutztrieb (z.B. Pinscher) werden
besonders auf ihre
Kinder aufpassen (je kleiner das Kind um so
stärker ist der Schutztrieb). Das ist oft angenehm und beruhigend, kann
aber zum Problem werden, wenn fremde Kinder zu Besuch kommen.
Spielerische Raufereien (besonders bei Jungs zu erwarten) können beim
Hund
zu Missverständnissen führen (eigene Erfahrungen in meiner Kindheit).
Hunde sollten nie ohne erwachsene Aufsicht mit fremden Kindern
allein gelassen werden. Fremde Kinder sind alle nicht zum eigenem Rudel
gehörenden Kinder, auch die aus der befreundeten Nachbarschaft!
Für
ein ungetrübtes Verhältnis von Kind und Hund ist konsequente Erziehung
von beiden und viel Aufsicht unumgänglich.
Wesen - angeboren
oder an(v)erzogen
Dass es angeborene (= genetisch bedingte)
Wesensunterschiede gibt ist unbestritten. Ein Husky wird nie ein guter
Wachhund sein, während einem Pinscher die Wachsamkeit bereits in die
Wiege gelegt wird.
Aber das Gesamtverhalten eines erwachsenen
Hundes wird im Wesentlichen durch sein erlerntes Verhalten bestimmt.
Lernen,
besonders in der Prägungsphase (5. - 12. Lebenswoche), kann das Wesen
unabhängig von genetischen Anlagen nachhaltig positiv oder negativ
beeinflussen.
Wenn ein Hundewelpe bereits in der
Prägungsphase
lernt, dass Auto fahren sogar Spaß macht, es fremde Hunde gibt die lieb
sind, dass Rasenmäher oder Gewitter nicht gefährlich sind, dass man
Menschen (besonders Kindern) nicht an den Sachen zerren darf u.s.w.,
sind die Grundlagen für ein uns Menschen angenehmes Wesen bereits
geschaffen.
Wenn aber der Züchter in der 6.Lebenswoche bei den
Welpen sitzt und bei einem Gewitter auf den ersten Donnerschlag panisch
reagiert (z.B. hektisch alle Welpen ins Trockene bringt), dann hat der
zukünftige Besitzer schon mal ein (nicht angeborenes)
Wesensproblem,
an dem er sich als Trainer beweisen kann.
In der Hundeerziehung
geht man davon aus, dass man für die Aberziehung von erworbenen Unarten
(z.B. Streunen) mindestens solange braucht, wie der Hund diese Unart
schon zeigt. Dass ein Rudelführer (Mensch), bei dem der Hund diese
Unart gelernt hat, kaum eine Chance hat, seinem Hund die Unart auch
wieder abzuerziehen, liegt natürlich am Menschen.
Je früher
Unarten oder Wesensmängel erworben werden und je länger diese
Eigenschaften ohne erzieherisches Entgegenwirken gezeigt werden können,
um so unlösbarer wird das Erziehungsproblem.
Besitzer von
Tierheimhunden müssen (besonders bei älteren Tieren = 3 Jahre und
älter) oft genug lernen, mit den erworbenen Unarten ihres Hundes zu
leben.
Auch Welpenkäufer sollten großen Wert auf eine gute Prägung
beim Züchter legen.
Versäumnisse in der Prägungsphase sind
nur schwer wieder gut zu machen. Eine gute Prägung ist aber nur der
erste Schritt zu einer guten Erziehung und ersetzt keinesfalls die
nachfolgend notwendige Erziehung beim zukünftigen Besitzer.
aH